Mein Abschlussbericht

20Sept2016

 

Viele sagen, dass das Austauschjahr das beste Jahr ihres Lebens gewesen wäre. Das sehe ich nicht ganz so. Um es in einem Satz zusammenzufassen: Es war das interessanteste und lehrreichste Jahr.

 

Bevor ich am 21. August 2015 in den Flieger nach Buenos Aires gestiegen bin, habe ich mir viele Gedanken gemacht und versucht mich bestmöglich auf das bevorstehende Jahr vorzubereiten. Das ist gar nicht so einfach. Ich habe natürlich sehr viel in Büchern und im Internet gelesen, aber im Endeffekt lernt man alles erst so richtig kennen und verstehen wenn man wirklich da ist.

 

Schon im Februar habe ich die Daten meiner ersten Gastfamilie bekommen. Ich habe mich super gefreut, denn ich würde 4 Geschwister im Alter von 5 bis 21 Jahren haben.

Außerdem war mein 19-jähriger Gastbruder ein Jahr lang mit Rotary in Österreich.

Jetzt konnte eigentlich nichts mehr schief gehen, denn mit ihm könnte ich ja auch mal deutsch reden bzw. er könnte mir beim spanisch lernen helfen.

 

Als ich dann dort angekommen bin,war alles erst mal neu und anders, aber sehr interessant. Gleich am nächsten Tag nach meiner Ankunft haben wir ein ''Asado'' gemacht. Das heißt, dass wir gegrillt haben. Das Fleisch in Argentinien ist so gut, dass man sogar fast die Beilagen weglässt.

Jeden Tag zu jeder Zeit und an jedem Ort trinken die Argentinier Mate. Das ist ein Tee, der je nachdem wie man ihn am liebsten mag etwas bitter schmeckt. Er wird in einem speziellen Becher mit Halm serviert und alle trinken aus einem Gefäß. Wenn man in einer großen Gruppe zusammensitzt wird er einfach rumgereicht. Mate ist deshalb nicht nur einfach ein Getränk, dass man trinkt weil man Durst hat. Auch mit Unbekannten trinkt man ihn und kommt so direkt ins Gespräch.

 

Meine erste Gastmutter ist Lehrerin an einer katholischen Mädchenschule und obwohl keines ihrer Kinder auf diese Schule geht wollte sie das ich dort hingehe.

Die Schule war wirklich sehr katholisch und ich musste mich erst mal daran gewöhnen von Nonnen unterrichtet zu werden und jede Pause zu beten.

Zwischendurch habe ich versucht die Schule zu wechseln, da sie wirklich sehr streng dort waren und auch die Schülerinnen dementsprechend eingestellt waren.

Meine Gastmutter hat mich aber nicht wechseln lassen und so habe ich es halt hingenommen. Ich habe mich dann auch schnell dort wohl gefühlt und Freundinnen gefunden. Alle Lehrer und die Schülerinnen waren immer sehr herzlich zu mir. Ich war an der ganzen Schule bekannt und alle haben sich gefreut, wenn sie sich mit mir unterhalten haben.

 

Ende November stand dann eine große Reise an: Die Südtour, von Rotary organisiert. Es ging also nach Patagonien. Quer durchs Niemandsland mit dem Reisebus, voll mit 25 Austauschschülern aus ganz Europa. Die Landschaften die ich dort gesehen habe werde ich immer in Erinnerung behalten. Am Meer haben wir Pinguine gesehen, wir sind mit einem Boot aufs Meer rausgefahren um Wale zu beobachten. An der Grenze zu Chile waren wir AUF dem berühmten Gletscher ''Perito Moreno'' wandern, wir waren Pony reiten in San Carlos de Bariloche und und und...

Ein Video zu der Reise, dass ein belgischer Austauschschüler erstellt hat, findet ihr unter folgendem Link:

https://vimeo.com/145808024

 

Wieder Zuhause in San Rafael angekommen, standen schon bald die großen Sommerferien vor der Tür. Vorher war ich aber noch mit meiner Klasse auf einer Fahrt in eine andere Provinz Argentiniens. Wir haben uns zwar viele Kirchen angeguckt, die für uns Europäer relativ unspektakulär sind, weil sie eben nicht so alt sind, aber ich hatte trotzdem viele schöne Momente auf dieser kleinen Reise. Am letzten Tag haben wir eine Wanderung entlang eines Bachs gemacht und am Ende war dort ein Wasserfall. Für November war es schon sehr heiß und so haben wir alle zusammen eine Wasserschlacht gemacht, das war eine echt tolle Erfahrung!!

 

Der Dezember war dann relativ langweilig. Ich hatte zwar Ferien, aber gerade deshalb hatte ich eben keine Beschäftigung. Meine Gastfamilie hat immer sehr lange geschlafen und dann am Mittag auch nichts mehr unternommen. Meine Freundinnen aus der Schule waren entweder im Urlaub, oder haben mir nicht mehr geantwortet, wenn ich mich mit ihnen treffen wollte. Leider haben mir meine Gasteltern auch nicht geholfen einen Sportverein oder ähnliches zu finden. Jetzt, wo ich mich einigermaßen selber darum kümmern könnte, haben aber alle Vereine pausiert wegen der Sommerferien.

 

Zum Glück hatte ich Be, eine Austauschschülerin von den Färöer Inseln (gehören zum Königreich Dänemark) die auch in San Rafael gewohnt hat. Wir haben uns schon in der 2 Woche unseren Austauschs kennengelernt und sind seitdem beste Freunde. Wir haben uns gegenseitig immer unterstützt, auch wenn es nicht so gut lief.

 

Vor allem sie hatte schlechte Erfahrungen mit ihren Gastfamilien (sie hatte insgesamt 7!!). Von Rotary kam dabei leider nicht viel Hilfe, deshalb habe ich ihr sogar eine Übergangsfamilie organisiert und sie bei anderen Sachen unterstützt. Zum Glück hatte ich nicht allzu große Probleme, denn ich wusste von meinem Rotary Club bzw. Distrikt in Argentinien würde nicht viel Hilfe kommen.

 

Kurz bevor die großen Ferien angefangen haben, habe ich noch jemanden kennengelernt. Plötzlich sagte man mir in der Schule:,,Hey, guck mal, die da drüben ist Deutsche!'' Also habe ich mich natürlich mit der Frau unterhalten. Sie ist ungefähr so alt wie meine Eltern, kommt ursprünglich aus Sachsen und wohnt jetzt schon seit mehreren Jahren in San Rafael. Ich habe mich natürlich total gefreut. Noch mehr gefreut hat mich aber, dass sie mir ihre Nummer gegeben hat und mich zu einem Adventskaffeetrinken eingeladen hat.

 

Am 3. Advent war es dann so weit: Claudia holte mich Zuhause ab und wir fuhren zu einem anderen Haus. Das Wohnzimmer war voller Frauen und Kinder die irgendwie deutsch sprechen. Ca. 8 Frauen waren das, die entweder selber in Deutschland geboren sind oder deren Eltern Deutsche waren. Manche ihrer Kinder haben auch deutsch gelernt, manche nicht. Diesen Tag werde ich noch lange in Erinnerung behalten! Wir haben Weihnachtsschmuck gebastelt, selbstgebackene Plätzchen und Vanillekipferl gegessen und danach sogar noch Weihnachtslieder gesungen. Das alles bei über 30°C!!

 

Auch die ältere Frau bei der wir Zuhause waren hat mir ihre Handynummer gegeben. Roswitha kommt ursprünglich aus Köln, hat 40 Jahre in den USA gelebt und jetzt eben seit 10 Jahren in San Rafael. Sie hat mich mein ganzes restliches Auslandsjahr begleitet und ist in der Zeit wie eine Oma für mich geworden.

 

Außer diesem Tag am 3. Advent war es wenig weihnachtlich bei uns. Keine Dekorationen auf den Straßen, in den Geschäften oder Zuhause. Dazu kamen die über 35°C, bei denen man es nur im Pool ausgehalten hat. Der Tannenbaum aus Plastik, der mir bis zur Hüfte ging, wurde erst kurz vor Heilig Abend aufgestellt und war sehr bunt geschmückt.

Weihnachtsstimmung ist für mich nie so richtig aufgekommen, weil mich nichts an das Weihnachten erinnert hat, dass ich von Zuhause kannte.

 

Trotzdem war es toll dieses Fest auch mal in einer anderen Kultur zu erleben. Selbst der Tag des heiligen Abend war ganz normal. Jeder ist seiner Arbeit nachgegangen. Später haben wir Essen vorbereitet und um 21 Uhr sind wie dann zu meinem Gastonkel gefahren. Dort haben wir mit der kompletten Familie lecker gegessen und bis 24 Uhr gewartet. Dann war es endlich soweit. Alle sind zu dem kleinen Tannenbaum im Wohnzimmer gerannt und haben ihre Geschenke gesucht. Überhäuft damit, wie oft in Deutschland, wird man nicht weil alles sehr teuer ist. Ich habe auch eine Kleinigkeit bekommen, worüber ich mich sehr gefreut habe. Danach sind alle noch auf die Straße gegangen und wir haben ein paar Raketen gestartet und es wurden Familienbilder gemacht.

Die anderen Weihnachtstage haben wir auch mit der Familie verbracht, am besten in der Nähe eines Sees oder Pools, denn das war bei 38°C echt nötig!!

 

Silvester haben wir Zuhause mit der Familie gefeiert und das Wetter war nicht viel kühler... Nach dem Essen haben wir uns ein bisschen das Feuerwerk angeguckt, selber haben wir nichts gemacht und auch im Himmel hat man nicht viel gesehen, weil die Raketen eben einfach sehr teuer sind. Danach wurden ich und meine älteren Geschwister noch zu Freunden gefahren (um 1 Uhr Nachts) um mit denen das neue Jahr zu feiern. Auch an Weihnachten ist das nicht unüblich.

 

Bald stand mein erster Gastfamilienwechsel an und eine Woche vorher wusste ich immer noch nicht in welche Familie es gehen würde. Dann endlich bekam ich eine E-Mail, dass ich zu dem Rotary Präsidenten wechseln werde.

Gleich mein erster Tag war komplett anders als in meiner ersten Gastfamilie. Ich war quasi Einzelkind weil meine drei Geschwister schon lange ausgezogen sind und selber Kinder haben. Deshalb wurde ich behandelt wie eine kleine Prinzessin und die beiden haben mich sofort in ihr Herz geschlossen. Sie haben mich bei allem unterstützt und es wurde sich rund um die Uhr um mein Wohlbefinden gekümmert. Ganz anders natürlich als in der ersten Familie, wo all das gar nicht möglich war, weil ich eben 4 Geschwister hatte.

 

Nach den Sommerferien bin ich dann auch auf eine andere Schule gekommen. Bei dem Wechsel hat mir meine zweite Familie geholfen. Die Schule ist das komplette Gegenteil meiner alten Schule. Ich bin von der strengsten auf die lockerste Schule der Stadt gekommen. Dadurch habe ich die argentinische Jugend auch nochmal ganz anders erlebt und neue Leute kennengelernt.

Im Endeffekt habe ich mich auf dieser Schule aber nie so richtig wohl gefühlt. Die Schule an sich war toll, aber meine Klassenkameraden leider gar nicht. Nach gut einer Woche voller Fragen und Interesse, haben sie sich immer weiter von mir abgewendet und irgendwann ganz ignoriert. Zum Glück war ich nicht ganz alleine, denn ein thailändischer Austauschschüler ist auch in meine Klasse gekommen. Mit Pick habe ich mich sehr gut verstanden und wir haben uns gegenseitig unterstützt, da er von unseren Mitschülern auch kaum beachtet wurde.

 

Im März stand die zweite große Reise mit Rotary an, diesmal in den Norden Argentiniens. Es war wieder wunderschön, aber kein Vergleich zu unserer Südtour! Das hat mir auch nochmal gezeigt, wie unglaublich vielfältig dieses Land ist. Im Süden sind Gletscher und dort leben Pinguine und Wale, im Norden ist der Regenwald mit Krokodilen und Schildkröten und noch vielem mehr... Außerdem haben wir das Land verlassen. Für ungefähr 5 Stunden waren wir in Brasilien. Ganz oben am Dreiländereck von Argentinien - Brasilien - Paraguay liegen die Iguazú Wasserfälle. Dieses Naturschauspiel war sehr beeindruckend.

An meinem Geburtstag waren wir in Buenos Aires und das war das schönste Geschenk das man mir machen konnte. Mit all meinen Austauschschülerfreunden in dieser wunderschönen Stadt...

Auch zu dieser Reise wurde ein Video erstellt:

https://vimeo.com/161129468

 

Kurz nach der Reise habe ich dann für die letzten 2 ½ Monate nochmal die Gastfamilie gewechselt. Das tat mir nochmal richtig gut, weil ich endlich wieder Gastgeschwister hatte die auch Zuhause wohnen. Endlich war wieder Alltag drin und es hat sich nicht alles nur nach mir gerichtet. Das gute Verhältnis zu meiner zweiten Gastfamilie habe ich aufrechterhalten und sie oft besucht.

 

Auch in meiner 3. Gastfamilie habe ich mich super wohlgefühlt und sie war mal wieder komplett anders als meine bisherigen Familien. Mit ihnen habe ich auch viele Ausflüge unternommen und ich habe viel von ihnen gelernt.

 

Ungefähr einen Monat vor meinem Rückflug nach Deutschland wollte ich unbedingt zurück. Ich wusste nicht ganz was ich dort noch sollte. Ich hatte das Gefühl nicht viele Freunde zu haben und wollte mein altes Leben in Deutschland so schnell wie möglich zurück haben.

Als dann noch 2 Wochen übrig waren hat es sich komplett gewendet. Ich wollte gar nicht mehr nach Hause und konnte mir nicht vorstellen mein zweites Zuhause bald verlassen zu müssen. Aber bald war der Tag gekommen...

Es war wohl der härteste Abschied meine bisherigen Lebens. Die ganzen Menschen die zum Busbahnhof gekommen sind, um mich zu verabschieden, Familie, Freunde und Bekannte. Das hat mir die Augen geöffnet und mir gezeigt wie viele liebe Menschen ich in diesen 10 ½ Monaten kennengelernt habe.

 

Meinen ganzen 1 ½ stündigen Flug von Mendoza nach Buenos Aires habe ich durch geheult. Ich konnte es einfach nicht fassen, dass ich das jetzt alles hinter mir lassen musste.

Dort angekommen habe ich am Gepäckband gewartet, als eine ältere Frau mich auf spanisch ansprach:,,Warst du eine lange Zeit hier?'' ,,Ja, ein Jahr.'' Darauf sagte sie:,,Du hast mich auch zum weinen gebracht. Ich war selber als junges Mädchen in den USA als Austauschschülerin.''

 

Dieses kurze Gespräch hat mich sehr berührt und mir gezeigt, dass man immer Austauschschüler/in bleibt. Egal wie lange es her ist, diese Erinnerungen und die Menschen die ich dort kennengelernt habe, werde ich immer in meinem Herzen behalten.

 

Auch wenn es mich oft traurig macht und ich Argentinien sehr vermisse, weiß ich doch das ich bald wieder zurückkehren werde, zu meiner Familie, zu meinen Freunden, eben nach Hause.

 

Ich danke meinen Eltern, meinem Bruder und allen Freunden und meiner Familie und vor allem Rotary die das alles möglich gemacht haben. Ohne dieses Jahr wäre ich heute nicht die, die ich jetzt bin. Ich bin unendlich dankbar dafür und jeder der auch nur überlegt auch einen Austausch zu machen, sollte sofort in den Flieger steigen!!